Kategorie: Whangarei
Whāngārei -> Taupō
The anniversary of the Snooze button
Ich bin ja nicht so gut darin, meine Gedanken ordentlich zu sortieren um sie in verständliche und vielleicht auch interessante Sätze zu verpacken. Trotzdem fällt mir immer auf, dass ich vielmehr runterschreiben sollte, was mir so an der inneren Schädeldecke vorbeirauscht.
Der Regen hier hat aufgehört. Das ist natürlich erstens meiner Laune sehr zuträglich und zweitens habe ich wörtlich damit einen weiteren Blick. Sowas schlägt sich auch auf meine Gedanken nieder. Ungeordnet schwirrt mir mein Leben durch den Kopf. Ein paar Gedanken dazu sollen hier archiviert werden. Gleichzeitig denke ich, dass ich damit die nächste der 5 „W“-Fragen beantworten kann: „Warum Neuseeland“.
Der Grund in Neuseeland zu sein, findet sich eigentlich schon knapp 10 Jahre in der Vergangenheit.
Ich war 15. Schüler auf dem Norbertusgymnasium. Ein Gymnasium mit einem damals noch gutem Ruf, solange man nicht hinter die Fassade blicken konnte. Heute ist das, so glaube ich, noch sehr ähnlich. Ich war eine pubertierende Mistkröte. Stinkenfaul und streckenweise ätzend. Da ich weiß, dass meine Mum mitließt: Du weißt, dass es mir leid tut. Im Nachhinein.
Nun, alles war ätzend. Schule war Mist, Menschen waren Mist, das Erreichbare war Mist. Ich wollte kein Abi, ich wollte leben. Und zwar nach eigenen Regeln. Das ist für einen 15-jährigen jetzt nicht besonders ungewöhnlich und legt sich ja auch mit der Zeit. Ich schiele auf all die Abiturienten ohne jegliche Perspektive, was sie mit diesem verdammten Stück Papier anfangen sollen. „Hauptsache erstmal haben“.
Ich war anders. Gymnasium habe ich abgebrochen / es wurde von „außen“ abgebrochen. Die Außenwelt, vorallem in Person meiner Mutter, dachte: Au weia, aus dem wird nichts.
Im Gegenteil. Ich hatte das tiefe innere Bedürfnis, mein Leben zu leben. Mein damaliger Schulleiter meinte zu mir … im letzten Gespräch welches wir miteinander hatten: „Christoph, du bist nicht für die Schule geschaffen, du musst arbeiten“. Nagel auf den Kopf getroffen? Vielleicht. Ich hatte ein Ziel:
Eine Million auf meinem Konto in 10 Jahren (also mit 25). Der Termin rückt im Übrigen näher. Und nein, keine Chance, die Million wird nichts. :-/ … Aber das Ziel ist definierter:
Finde das, was Dich im Leben glücklich macht.
Zeitsprung!
Innerhalb meiner (zweiten) Ausbildung zum Fachinformatiker stellte ich etwas fest: Du bist nicht dafür geschaffen, etwas zu tun, weil andere es dir sagen. Das war mit 15 schon so. Und es ist mit 24 immer noch so. Ich hatte mir etwas in den Kopf gesetzt: Du machst dich selbstständig und arbeitest vor allem für: Dich selbst. Anfangs ging das auch recht gut. Nur mittlerweile hat sich etwas verschoben: Mein Gefühl.
Ich arbeite nicht mehr für mich selbst, ich arbeite wieder für andere. Ich mache Dinge, an denen ich keinen Spaß finde. Ich drücke morgens endlos auf „Snooze“. Ein Zeichen für mich. Den das gleiche habe ich schonmal gemacht. Mit 15 … als ich zur Schule „musste“.
Etwas zu müssen was ich nicht wollte. Das trifft mich bis heute tief im Inneren und ich komme absolut nicht damit klar. Ich kämpfe innerlich gegen so etwas an. Ich sträube und winde mich. Manchmal werde ich dafür abgestraft. Und in den meisten Fällen stoße ich damit Menschen vor den Kopf, wenn ich eben nicht (mehr) das mache, was ich versprochen oder angekündigt habe. Oder für etwas, für das ich beauftragt wurde. Ich kann es nicht tun, weil ich es nicht will.
Nun ist Neuseeland meine Flucht nach vorne. Nicht, weil es am weitesten von Europa entfernt liegt. Sondern weil es nicht Deutschland ist. Und ich schon ewig darüber sinnierte: „Wenn du es jemals schaffst, da hin zu kommen“. Es schien so unrealistisch. Nun bin ich hier und alles wirkt real. Das Land, die Menschen, das Gefühl.
Genügend Abstand zu Deutschland – genügend Abstand zu dem ganzen Mist, den ich tagtäglich gemacht habe ohne es zu wollen und ohne dagegen anzukämpfen. Hier ist die Flucht.
Aber ich kann so etwas den Menschen nicht in’s Gesicht sagen. Deswegen mache ich es einfach und riskiere dabei etwas, was ich mir selbst kaum eingestehen wollte: Wenn ich zurück komme, bin ich wieder („businesstechnisch“) bei Null. Und wenn ich ganz viel Glück habe auch persönlich wieder auf dem Boden der Tatsachen.
Und wisst ihr was?! Ich freue mich jetzt schon riesig auf einen Neuanfang. Egal, wie der aussehen mag.
Liebe Grüße,
euer Christoph
P.S.: „Don’t let them drive you like a car. You’ll never be a shining star“ / And One – Shining Star
Subtropisch meint Regen
Ich habe ja schon ein paar Tage nichts von mir hören lassen. Deswegen nutze ich mal den Sonntag um ein wenig zu quasseln.
Wie ich schon erwähnte, fiel mir der Abschied aus Auckland schon etwas schwer. Gerade auch jetzt, wo ich in einer Kleinstadt sitze, die mit 50.000 Einwohnern über die gesamte Fläche doch recht überschaubar ist. Nichtsdestotrotz gefällt’s mir hier. Es ist praktisch das komplette Gegenteil zu Auckland. Du hast keine hohen Gebäude. Kein Haus ist höher als 2 Etagen. Die „Innenstadt“ besteht aus ca. 6 Straßen und bietet für jemanden, der feiern gehen will zusammenfassend: Gar nichts.
Als ich hier ankam und mich samt Rollkoffer und dick bepackter Tasche auf den Weg zum Backpacker-Hostel macht, musste ich unweigerlich an Google denken und habe mir auf den Weg hier hoch fest vorgenommen ihnen eine Mail zu schreiben und die Angabe von Höhenunterschieden auf den Karten und Routen zu verlangen. Der Weg hier hoch war … ätzend. Oben angekommen war ich allerdings angenehm überrascht. Du hast einen großartigen Blick auf die Stadt und die umliegenden Berge und Wälder. Es ist verdammt ruhig hier und man wird unweigerlich richtig ruhig hier.
Ruhig werden war und ist dann auch meinen Hauptaufgabe hier. Das liegt auch daran, dass es in den letzten 4 Tagen ständig geregnet hat. Keine Chance bei dem Wetter lange Ausflüge zu machen. Die wenigen Sonnenstrahlen, die Neuseeland insgesamt in der letzten Woche gesehen hat, habe ich dann genutzt um mir zumindest die Innenstadt mal näher anzuschauen. Professionelles Spazieren gehen. Wie oben beschrieben … unspannend.
Aber ich habe die Gelegenheit genutzt und meinen Kopf weitestgehend freigemacht. Wie ihr auf den Bildern sehen könnt, fällt mir das hier nicht schwer. Alles, was ich noch so aus Deutschland mitgenommen habe, gedanklich, habe ich versucht abzulegen. Das klappt bis jetzt ganz gut, wenn auch nicht vollständig. An meinen Job denke ich zum Beispiel gerade so Null. An ein paar meiner Freunde und meine Familie dagegen doch um so mehr.
Let’s crack a woody
Manches aus Deutschland vermisse ich sowieso. Neben meinen Freunden. Dazu gehört (und man kann es sich bei mir ja schon denken) gutes Bier und anständig verpreiste Zigaretten. Zum Bier: Alles ist in 0,33 Flaschen und Dosen abgefüllt. Alles ist schwaches Lager-Bier. Jetzt mal nen Warsteiner oder nen Krombacher wäre schon nicht schlecht. Dazu f6 lights für 6 € und nicht Pall Mall für 19$ (ca. 9€) (!!!).
An ein Backpacker-Hostel kann ich mich gewöhnen. Hab zwar nur ein paar Quadratmeter für mich und muss mir Küche, Klo und Dusche teilen, aber dadurch dass ich in einem „Extra“-Häuschen untergebracht bin, habe ich das meiste hier eh für mich. Ansonsten ist natürlich nen Appartement mit 2 Zimmern schon cooler. Aber nur in der Großstadt. Hier wäre sowas eher komisch. So lebt hier eh keiner.
Mit den Leuten hier kommt man im übrigen schon zwangsweise oft und schnell in’s Gespräch. Eine Anekdote kann ich ruhig mal erwähnen. Donnerstag Abend, ich war eigentlich nur müde und wollte schlafen gehen. Naja, Krach auf der Terrasse. Alsdann. Hose wieder an. Die letzten Woodstocks greifen. Woodstock ist Bourbon mit Cola, auch Woody’s genannt. Wenn man das mit jemanden zusammen trinken will, lädt man ihn ein mit den Worten: „Let’s crack a woody!“ :). Okay, Zeug gegriffen, ab auf die Terrasse. 4 Menschen am Party machen, davon ein nettes Mädel inkl. Gitarre und einer atemberaubenden Stimme (ich versuche mal was von ihrer Musik hier zu verlinken). Eine Art „Musiktruppe“ aus Samoa. Teils eine Familie, teils jahrelange Freunde. Die touren seit 2 Monaten durch Neuseeland und spielen auf kleinen Festen und in Schulen und versuchen somit irgendwie die Message „Frieden für alle“ in die Welt zu tragen. Etwas durchgeknallt waren sie schon, aber allesamt nette Menschen. Mit dem letzten Typen, sein Name ist „Tee“ (so war er für mich auch nur noch „Mr. T“), saß ich dann bis 4 Uhr morgens und sprach lange mit ihm über Liebe und andere Katastrophen. Zielführend ist das nicht, aber er konnte mir schon ein wenig aufzeigen, an was ich mal so alles denken sollte. Nicht konkret, eher allgemein. Dich holt mal wieder jemand auf den Boden zurück und betrachtet deine Situation und deine Gefühle mal nüchtern (stimmt hier natürlich nicht mehr ganz).
Genug für den Moment.
Grüße aus dem (gerade mal sonnigen) Whangarei nach Deutschland.
Und der „Uncle“ (einer aus der Truppe) will alle in Hamburg und Münster grüßen, da war er schonmal und das fand er großartig.